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Hannes mit Enkelin


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Gedenkveranstaltung an die Pogrome vom 9. November 1938

Das Programm der Öffentlichen Gedenkveranstaltung in Wattenscheid am 8. November 2019

1. Die Moorsoldaten

Moorsoldaten

2. Begrüßung Felix Oekentorp

3. Moderation: Christoph Nitsch, stv. Vorsitzender Kuratorium Stelen der Erinnerung e.V

4. Rede: Andreas Halwer, Stadtarchiv Bochum

Andreas Halwer

5. Gedicht Todesfuge, vorgetragen von Alina Röllke

Alina Röllke

6. Rede: Felix Lipski, Vorsitzender des Clubs „Stern der Holocaust-Überlebenden“, „Kinder im Ghetto“, Felix Lipski verbrachte seine Kindheit im Ghetto von Minsk

Felix Lipski

7. Verlesung der Liste der 87 Wattenscheider Bürger jüdischen Glaubens – Opfer der Shoa: Alina Röllke, Tobias Damjanov, Nadine Wagner und Burgis Bienert

Verlesung der Opfer

8. Kaddisch-Totengebet

das Kaddisch

Rede Andreas Halwer 8. November 2019

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

ich begrüße Sie hier am Standort des Gedenkens für die jüdischen Opfer der NS-Zeit in Wattenscheid, dem Ort, der den Opfern einen Namen gibt.

Der Ausschuss für Kultur und Wissenschaft hatte sich im Jahr 2003 für die Stolpersteine als dezentrale Gedenkorte für das ausgelöschte jüdische Leben entschieden. Seit 2004 sind in Bochum und Wattenscheid fast 250 Stolpersteine und eine Stolperschwelle verlegt worden. In diesem Jahr kommen am kommenden Montag weitere 16 Stolpersteine hinzu, davon vier an zwei Stellen in Wattenscheid. Die Stolpersteine liegen an dem Ort, an dem die NS-Opfer zuletzt freiwillig gelebt haben. Sie werden aber nicht nur für Jüdische Opfer, sondern für alle Opfer der NS-Diktatur verlegt.

Im Sommer 2007 stellte Hannes Bienert den Bürgerantrag, auf dem Nivelles Platz eine Gedenktafel für die Wattenscheider Opfer der Shoa zu errichten.

Die Einweihung der Stelen mit ihren 87 Namen erfolgte am 9. November 2009.

Dieses Mahnmal ergänzt andere bereits in Wattenscheid vorhandene Erinnerungsorte an die Shoa. 1972 wurde auf dem jüdischen Friedhof an der Bochumer Straße durch die Stadt Wattenscheid ein Gedenkstein zur Erinnerung an die Verfolgung und Vernichtung der Juden in Wattenscheid errichtet. 1990 wurde in der Nähe der ehemaligen Synagoge eine Gedenktafel durch die Bezirksvertretung Wattenscheid zur Erinnerung an die Reichspogromnacht an einem Neubau auf dem ehemaligen Naß-Gelände angebracht. An beiden Gedenkorten werden keine Namen genannt.

Die 87 Namen auf den Stelen stehen für alle Wattenscheider Bürger jüdischen Glaubens, die in Wattenscheid geboren sind oder aber von 1933 bis 1945 in Wattenscheid gelebt haben. Die Liste wurde durch das Stadtarchiv erstellt, das auch das Projekt Stolpersteine inhaltlich betreut.

Viele dieser Namen sind auch auf Stolpersteinen eingraviert.

Auf den Stelen hier am Nivelles-Platz finden Sie die Namen von vielen Kindern. Oft sind sie zusammen mit ihren Eltern aufgeschrieben.

Das jüngste Kind ist Amalie Weinthal. Sie wurde 1937 im ostfriesischen Jheringsfehn geboren. Mit ihren Eltern und ihrer Großmutter kam sie 1939 nach Wattenscheid. Die Großmutter, die ebenfalls Amalie hieß, starb im März 1941 in Wattenscheid im Alter von 74 Jahren. Die Eltern, Helene und Moritz, wurden zusammen mit der kleinen Amalie im April 1942 von hier in das Ghetto Zamość in der Nähe von Lublin deportiert. Helene und Amalie wurden sofort nach der Ankunft in Zamość umgebracht, Moritz wurde kurz vor Weihnachten im benachbarten Konzentrationslager Majdanek umgebracht.

Nach Zamość wurden mit diesem Transport drei weitere Wattenscheider Kinder deportiert: Heinz Groß, Jahrgang 1931, Inge Groß, Jahrgang 1929, und Benno Schnitzer, Jahrgang 1925.

Hans Fryda, Jahrgang 1927, wurde 1944 in Auschwitz umgebracht. Betty Hartmann, geboren 1927, wurde 1942 ebenfalls in Auschwitz umgebracht. Gerd Kaufmann, 1928 geboren, wurde 1944 im elsässischen Natzweiler umgebracht. Rudi Liebreich, Jahrgang 1926, wurde 1943 in Auschwitz umgebracht. Werner Schürmann, Jahrgang 1925, wurde 1942 in Auschwitz umgebracht. Rosa Ruth Wassermann, geboren 1930, und ihre Schwester Frieda, geboren 1928, wurden zusammen mit ihren Eltern 1938 nach Bentschen, polnisch Zbaszyn, abgeschoben und später an einem unbekannten Ort umgebracht.

All diese Kinder könnten nach biologischen Maßstäben heute noch leben.

Einige Kinder konnten über sogenannte „Kindertransporte“ entkommen. So Moritz und Edmund Schnitzer, die älteren Brüder von Benno, der zusammen mit seinen Eltern zu den Mordopfern gehört. So wurde die Familie zerrissen, ein Teil konnte sein Leben leben, ein Teil wurde umgebracht. Für die Familie Schnitzer liegen nicht weit von hier Stolpersteine auf dem Alten Markt.

Außer Benno Schnitzer bekamen weitere Kinder „Ihren“ Stolperstein an ihrem letzten freiwilligen Wohnort. Für die Familien Groß, Schnitzer, Fryda, Kaufmann und Liebreich liegen über das Stadtgebiet verteilt Stolpersteine. Für die Familie Wassermann sollen im nächsten Jahr Stolpersteine verlegt werden.

In diesem Jahr, am kommenden Montag, dem 11. November, werden auch wieder mehrere weitere Stolpersteine verlegt. So auch für die Familie Basch in der Hochstraße 24.

Martin Basch und seine Frau Rosa flüchteten schon 1933 nach Amsterdam. Bereits dort wurde ihre Tochter Sylvie Juliette geboren. Nach der Eroberung der Niederlande durch deutsche Truppen geriet die kleine Familie wieder in Gefahr. Sie wurden in das Sammellager Westerbork gezwungen. Von dort aus wurden sie 1943 nach Sobibor bzw. Auschwitz deportiert. Noch im selben Jahr wurde die ganze Familie umgebracht.

Am 20. November werden die Stolpersteinpaten dieses Jahres ihre Rechercheergebnisse im Rahmen einer Veranstaltung im Stadtarchiv an der Wittener Straße 47 vorstellen. Zu dieser öffentlichen Veranstaltung sind Sie alle eingeladen. Und im Internet können Sie jederzeit die Ergebnisse der letzten Jahre auf der Seite www.bochum.de/stolpersteine nachlesen.

Und wenn Sie, liebe Anwesenden, es möchten, können Sie selbst Pate werden. Leider gibt es noch genügend NS-Opfer ohne einen Stolperstein.

Die Stolpersteine werden jedoch nicht nur für jüdische Opfer, sondern für alle Opfer der NS-Diktatur verlegt. Ein Stolperstein wird in diesem Jahr in Westenfeld für Martha Winko verlegt. Er wird vor dem Haus Wibbeltstraße 18 an sie erinnern. Martha Winko wurde 1943 verhaftet und wegen „VORBEREITUNG ZUM HOCHVERRAT“ 1944 in das Konzentrationslager Ravensbrück eingewiesen. Dort wurde sie im Januar 1945 umgebracht.

Das Grauen, das die Opfer der NS-Diktatur erleiden mussten, ist unvorstellbar. Unvorstellbar auch, dass Menschen ihren Mitmenschen dieses Leid zugefügt haben. Und genauso unvorstellbar ist es, dass auch heute noch immer wieder rechtsextreme Parolen verbreitet werden.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

Todesfuge

Schwarze Milch der Frühe wir trinken sie abends
wir trinken sie mittags und morgens wir trinken sie nachts
wir trinken und trinken
wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng
Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt
der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland
dein goldenes Haar Margarete

er schreibt es und tritt vor das Haus und es blitzen die Sterne
er pfeift seine Rüden herbei
er pfeift seine Juden hervor läßt schaufeln ein Grab in der Erde
er befiehlt uns spielt auf nun zum Tanz

Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich morgens und mittags wir trinken dich abends
wir trinken und trinken
Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt
der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland
dein goldenes Haar Margarete
Dein aschenes Haar Sulamith

wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng

Er ruft stecht tiefer ins Erdreich ihr einen ihr andern singet und spielt
er greift nach dem Eisen im Gurt er schwingts seine Augen sind blau
stecht tiefer die Spaten ihr einen ihr anderen spielt weiter zum Tanz auf

Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich mittags und morgens wir trinken dich abends
wir trinken und trinken
ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete
dein aschenes Haar Sulamith er spielt mit den Schlangen

Er ruft spielt süßer den Tod der Tod ist ein Meister aus Deutschland
er ruft streicht dunkler die Geigen dann steigt ihr als Rauch in die Luft
dann habt ihr ein Grab in den Wolken da liegt man nicht eng

Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich mittags der Tod ist ein Meister aus Deutschland
wir trinken dich abends und morgens wir trinken und trinken
der Tod ist ein Meister aus Deutschland sein Auge ist blau
er trifft dich mit bleierner Kugel er trifft dich genau
ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete
er hetzt seine Rüden auf uns er schenkt uns ein Grab in der Luft
er spielt mit den Schlangen und träumet der Tod ist ein Meister aus Deutschland

dein goldenes Haar Margarete
dein aschenes Haar Sulamith

Todesfuge ist ein Gedicht des deutschsprachigen Lyrikers Paul Celan, das mit lyrischen Mitteln die nationalsozialistische Judenvernichtung thematisiert. Es entstand zwischen 1944 und Anfang 1945 und erschien zunächst in rumänischer Übersetzung im Mai 1947.

Opfer der Shoah aus Wattenscheid

entnommen dem Gedenkbuch "Opfer der Shoah aus Bochum und Wattenscheid" erschienen im Kamp Verlag, herausgegeben von
der Evangelische Stadtakademie Bochum, dem Stadtarchiv Bochum und dem Verein "Erinnern für die Zukunft"

Arensberg , Erich

Auerbach , Siegfried

Basch , Martin

Brandt , Emilie , geb. Fryda

Elkus , Hermine , geb. Rittgen

Emer , Markiel

Flatow , Bertha

Frankenhaus , Hedwig , geb. Rosenhoff

Fryda , Betty , geb. Silbermann

Fryda , Emil

Fryda , Hans

Gerson , Johanna , geb. Kaufmann

Goldblum , Lina , geb. Blum

Groß , Heinz

Groß , Hugo

Groß , Inge

Groß , Martha , geb. Spiero

Guttenberg , Ella , geb. Rosenberg

Hanauer , Else

Hartmann , Betty

Hess , Alfred

Heymann , Alfred

Hochfeld , Paula , geb. Salomon

Katzenstein , Albert

Kaufmann , Albert

Kaufmann , Elfriede

Kaufmann , Gerd

Kaufmann , Günther

Kaufmann , Irma , geb. Pollack

Liebreich , Grete , geb. Spiero

Liebreich , Julius

Liebreich , Rudi

Löwenstein , Edith , geb. Bonnin

Löwenstein , Julie

Löwy , Siegfried

Markan , Julius

Meiseles , Salomon

Mendel , Ella , geb. Kraus

Mendel , Wilhelm

Müller , Eduard

Moses , Edith

Oppenheim , Julie

Oppenheim , Rischen

Poppers , Anneliese , geb. Fryda

Röttgen , Ernst

Röttgen , Günther

Röttgen , Leo

Röttgen , Martha

Röttgen , Sara , geb. Appel

Röttgen , Siegfried

Röttgen , Werner

Rolef , Josefine

Rosemund , Emma

Rosenthal , Ernst

Rosenthal , Gustav

Rothenburg , Paula , geb. Fryda

Sänger , Edith , Guttenberg

Salomon , Emma , geb. Cohn

Salomon , Isaak

Samuelsdorf , Robert

Schacher , Mathilde , geb. Cohn

Schmelz , Fritz

Schnitzer , Bruno

Schnitzer , Hermann

Schnitzer , Moritz

Schnitzer , Rosa , geb. Kasner

Schürmann , Werner

Simon , Ida , geb. Hamm

Sondheimer , Johanna , geb. Kadden

Spiegel , Else

Spiero , Elise

Spiero , Johanna , geb. Rosenberg

Stern , Betty

van Buuren , Koort S.

Wassermann , Samuel , gen. Rosenmann

Wassermann , Rosa Ruth

Wassermann , Samuel

Wechsler , Alice , geb. Brenner

Weinthal , Amalie

Weinthal , Helene

Weinthal , Moritz

Winkelmann , Regina

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