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in Zusammenarbeit mit Mitgliedern der Jüdischen Gemeinde Bochum/Herne/Hattingen und Mitgliedern des Kuratoriums
Treffpunkt um 12:00 Uhr am Saarlandbrunnen in 44866 Wattenscheid
Abmarsch um 12:15 zu den 3 Stelen auf dem Nivellesplatz am Standort der ehemaligen Synagoge
Dort Kranzniederlegung und Programm:
1. Die Moorsoldaten – an der Gitarre: Bernd Albers, Vorsitzender des Gemeinderates der Probstgemeinde St. Gertrud; Gesang: Christel Sehrig
2. Begrüßung und Ansprache: Hannes Bienert, Vorsitzender der ANTIFA WAT
3. Grußwort: Felix Oekentorp, Landessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner NRW
4. Moderation: Heinz Werner Kessler, Vorsitzender des Heimat- und Bürgervereins Wattenscheid (HBV e.V.)
5. Rede: Reiner Einenkel, Betriebsratsvorsitzender der Opel AG
6. Lied: Ilja Berin, Mitglied der jüdischen Gemeinde Bochum/Herne/Hattingen
7. Gedicht einer 15jährigen nach einem Besuch in Auschwitz: Alina Röllke
8. Rede: Felix Lipski, Präsident des Clubs „Stern der Holocaust-Überlebenden“, Kriegsveteran, „Kinder im Ghetto“, Felix Lipski verbrachte seine Kindheit im Ghetto von Minsk
9. Gedicht „Der Kamin“, geschrieben von der 13jährigen Ruth Klüger in Auschwitz, vorgetragen von: Gisela Kisker
10. Verlesung der Liste der 87 Wattenscheider Bürger jüdischen Glaubens – Opfer der Shoa: Felix Lipski, Mehriban Özdogan und Ursula Deis
11. Kaddisch-Totengebet: Mosche Deichem, Kantor
Die Todesschüsse sind verklungen
Du bist leiser geworden Auschwitz
Die Baracken
aus kaltem Stein
und kaltem Holz
ragen stumm in den Himmel
die Bäume, die kalten Bäume
wanken fast zögernd hin und her
in dem eiskalten Wind
Wenn ihr erzählen könntet
wenn ihr weinen könntet
Ihr habt die Kinder gesehen
die Eltern, die Familien
Die Todesschreie sind verklungen
doch ihr Echo schallt
aus der Stille wieder
Täglich hinter den Barracken
seh ich Rauch und Feuer stehen
Jude beuge Deinen Nacken
keiner kann hier dem entgehen
Siehst Du in dem Rauche nicht
ein verzerrtes Angesicht
ruft es nicht voll Spott und Hohn:
Fünf Millionen berg ich schon
Auschwitz liegt in seiner Hand
Alles, alles wird verbrannt
Täglich hinterm Stacheldraht
steigt die Sonne purpur auf
dich ihr Licht wirkt öd und fad
steigt die andere Flamme auf
denn das warme Lebenslicht
gilt in Auschwitz längst schon nicht
Blick zur roten Flamme hin
einzig wahr ist der Kamin
Auschwitz liegt in seiner Hand
Alles, alles wird verbrannt
Tod nur rettet vor dem Tode
in der langen Ghetto Gasse
herrschte längst der Selbstmordwahn
und es bot so mancher blasse
Junge Cyankali an
“Wer will Cyankali kaufen?“
Sachlich klang das Angebot
Statt zum Foltertod zu laufen
wählte man den leichten Tod
Ihr im Ghetto deckt Euch alle
gut mit Cyankali ein
und es wird euch einst im Falle
der Vernichtung leichter sein
Und man sah dann schmerzdurchdrungen
bald das Ende von dem Lied
und die Cyankali-Jungen
standen auch in Reih und Glied
Traurig stellten sie die Frage:
Wer hat Cyankali, wer?
Denn sie halten an dem Tage
selbst kein Cyankali mehr
Liebe Freundinnen und Freunde,
wenn in diesen Tagen die Rede war vom 9. November, dann erweckte es den Anschein, als habe in der Geschichte der Menschheit nur ein Ereignis stattgefunden am 9. November: ein Mauerfall in Deutschland. Dieses Ereignis wird auf allen Kanälen gefeiert, im Bundestag wird einem Herrn Biermann Gelegenheit gegeben, sich unqualifiziert zu äußern, und allüberall wird triumphiert: Wir sind die Guten, wir haben die Mauer überwunden, von uns wird die Freiheit in alle Welt exportiert.
Keine Erwähnung findet bei diesen Mauerfeierlichkeiten bzw die Grenzschutzagentur FRONTEX, die um das Schengen-Europa gebaut wurde in den letzten Jahren. Eine Mauer die zur Folge hat, dass Jahr für Jahr Flüchtlinge im Meer ertrinken. Was wollen sie auch an unserem Wohlstand teilnehmen, das muss doch zu verhindern sein. Da ist uns eine Mauer gerade recht.
Ebenfalls fast keine öffentliche Erwähnung findet in diesen Tagen ein anderes Ereignis das sich in die Geschichte Deutschlands eingebrannt hat und das vor 76 Jahren stattfand: die Reichspogromnacht. Braune Horden zündeten Synagogen an und verhinderten, dass die Feuerwehr diese löschen konnten. Nur das Übergreifen des Feuers auf benachbarte Gebäude zu verhindern war der Feuerwehr erlaubt.
Auch hier in Wattenscheid, einer Stadt von damals etwa 61.000 Einwohnern fand an diesem Ort dieses Verbrechen statt. Es war auch hier der Ausgangspunkt für die Vernichtung des jüdischen Lebens.
Im Jahr 1925, so ist es auf der Webseite Verwaltungsgeschichte.de nachzulesen, lebten noch 192 registrierte Menschen jüdischen Glaubens in Wattenscheid. 1933 waren es noch 148, und bis 1939, dem Jahr nach dieser Reichspogromnacht war die Zahl auf gerade einmal 44 geschmolzen. Die Vertreibung und Flucht hatte schon begonnen. Manchen gelang die Flucht, viele hofften zu lange, der Spuk werde ein baldiges Ende finden und wurden mit deutscher Gründlichkeit vernichtet.
Wir können die Namen auf diesen Stelen nachlesen: 87 Menschen jüdischen Glaubens sind in diesen Jahren umgekommen oder verschollen. Ermordet in eigens dafür errichteten Lagern auf unvorstellbare Art und Weise.
Dieses Verbrechen gilt es, in Erinnerung zu bewahren, und ich danke Ihnen und Euch allen, dass Sie und Ihr an diesem Tag hier so zahlreich erscheinen seid, und ich danke meinem Freund Hannes für seinen unermüdlichen Einsatz um diesen Ort des Gedenkens.
Je mehr es den Herrschenden gelingt, dieses Verbrechen aus den Köpfen der Bürger zu verdrängen, und die Erinnerung daran aus zu löschen, desto leichter ist es ihnen, neue Verbrechen zu begehen. Dann werden wieder Kriege geführt, dann können wieder Menschen ausgegrenzt werden, dann ist auch bald wieder die Jagd auf Minderheiten freigegeben.
Als Landessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte Kriegsdienstgegner habe ich wie alle Mitglieder die Erklärung der War Resisters International unterschrieben in der es heißt
"Der Krieg ist ein Verbrechen an der Menschheit. Ich bin daher entschlossen, keine Art von Krieg zu unterstützen und an der Beseitigung aller Kriegsursachen mitzuarbeiten"
Und dem Vergessen entgegenzuwirken das sehe ich als eine Möglichkeit, diesen Kriegsvorbereitungen zu behindern, durch das Bremsen der Mobilisierungsbereitschaft in der Bevölkerung.
Daher ist es mir ein Herzensanliegen, mich hier regelmäßig an diesem Gedenken zu beteiligen, und es war und ist mir auch wichtig, den Friedensdemonstranten die jedes Jahr zu Ostern auch durch Wattenscheid radeln, diese Stelen zu zeigen und hier einen kurzen Stopp einzulegen bevor es zum eigentlichen Halt an der Friedenskirche kommt. Dies geschah im letzten Jahr erstmals, das haben wir auch dieses Jahr so gehalten und es soll im Rahmen des Ostermarsches zu einer festen Einrichtung werden.
Auf dass die Nacht nicht wiederkehre!
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